In vielen Unternehmen hören wir den Ruf nach Best Practices.
- Wie werden wir besser? Dafür gibt es doch bestimmt eine Best Practice.
- Wie werden wir schneller und effizienter? Dafür gibt es doch bestimmt eine Best Practice.
- Wie sparen wir Kosten? Dafür gibt es doch bestimmt eine Best Practice.
- Wie entwickeln wir bessere Produkte? Dafür gibt es doch bestimmt eine Best Practice.
Berater servieren uns diesen Begriff gerne auf dem Silbertablett. Sie suggerieren uns damit, dass sie einen erprobten Weg kennen, der auch uns weiterhelfen wird.
Der Wunsch nach Best Practices ist verständlich
Geschäftsmodelle sind heute komplexer als früher. Dazu tragen die gestiegenen Ansprüche der Kunden und die Megatrends Globalisierung und Digitalisierung bei. Entsprechend sind unsere Aufgabenstellungen komplex.
Das bedeutet: Es gibt keine klare, definierte Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Wir können nicht vorhersagen, ob eine bestimmte Strategie erfolgreich sein wird.
Gleichzeitig stehen wir im Unternehmen unter wirtschaftlichem Druck.
Also blicken wir auf andere erfolgreiche Unternehmen. Welche Produkte bieten sie an? Auf welchen Märkten sind sie aktiv? Wie arbeiten sie intern? Welche Methoden setzen sie ein? Und wir vermuten: Wenn wir es genauso machen, werden wir Erfolg haben.
- Wir orientieren uns an anderen und versprechen uns davon, dass es bei uns auch funktioniert.
- Wir hoffen, dass wir eine komplexe Aufgabe mit erprobten Mitteln meistern werden.
- Wir hoffen auf Musterbeispiele, auf ein Erfolgsrezept, auf einen Weg, der funktioniert.
Das ist verständlich. Es entspringt dem Wunsch des menschlichen Gehirns, Dinge zu vereinfachen und in einer schwierigen Umgebung einen klaren Weg zu finden. Wir glauben, dass bewährtes Vorgehen, Fallbeispiele oder vermeintlich “optimale” Methoden uns helfen.
Funktionieren Best Practices?
In definierten, gleichartigen Umgebungen und Situationen funktionieren Best Practices möglicherweise. In stabilen Produktionsumgebungen existieren bekannte Methoden und Regelwerke oder Normen, die uns helfen, effizienter zu werden.
In komplexen Umgebungen – und Wissensarbeit ist immer komplex – funktionieren Best Practices in der Regel nicht. Organisationen sind komplexe Systeme aus Interaktionen zwischen Menschen. Best Practices können dort nicht als Blaupause dienen:
- Es funktioniert nicht, wenn wir einen Lösungsweg unverändert auf andere Bedingungen übertragen.
- Es funktioniert nicht, wenn wir einen Lösungsweg unverändert auf andere Zielgruppen übertragen.
- Es funktioniert nicht, wenn wir einen Lösungsweg unverändert auf andere Aufgaben und Situationen übertragen.
- Es funktioniert nicht, wenn wir einen Lösungsweg unverändert auf eine andere Firmenkultur übertragen.
Mal abgesehen von einer einfachen Erkenntnis: Wenn wir alle das gleiche machen, stechen wir nicht mehr aus der Masse heraus.
Wir machen uns zu einer Kopie.
Und eine Kopie ist maximal so gut wie das Original. Sie ist nie besser.
Bedeutet das, dass die Erfahrungen anderer wertlos sind?
Das bedeutet es nicht; Erfahrungen sind wertvoll. Machen wir aber nicht den Fehler, sie 1:1 auf unsere Situation zu übertragen.
Diese Fragen helfen uns:
- Welche Alternativen gibt es?
- Welches Feedback bekommen wir von Mitarbeitern und Kunden? Auf diesem Weg bekommen wir schnell ein Gespür, ob wir auf dem richtigen Weg sind.
- Unter welchen Bedingungen hat eine Methode woanders funktioniert? Wie unterscheiden unsere Bedingungen sich davon?
- Kann das in unserer Organisation klappen? Was müssten wir dafür verändern?
Wir wissen außerdem: Es anders zu machen, erfordert sowohl Mut als auch die Befugnis, Prozesse oder Strukturen zu verändern.
Fazit
Best Practices verleiten uns zum Kopieren. Sie verstellen uns den Weg zu unserer Einzigartigkeit.
Wenn Ihnen also jemand eine Best Practice oder einen “ganz einfachen Weg” für eine komplexe Situation anbietet – ignorieren Sie das getrost.
Suchen Sie sich lieber jemand anderen.
Jemanden, von dem Sie die ehrliche Aussage bekommen, dass es Arbeit bedeutet, wenn Sie für Ihre eigene Ausgangslage einen guten Weg finden wollen. Dass es nicht ohne Mut zum Ausprobieren geht.
Ein fertiges Konzept aus der Schublade bringt Sie nicht weiter. Eigenes Denken schon.